Wenn nichts mehr geht: Freeze, Nervensystem & wie Therapie hilft
Kennst du das? Du stehst mitten in einem Konflikt, vielleicht kritisiert dich dein Chef in einer Teamsitzung und plötzlich geht gar nichts mehr. Dein Kopf ist wie leergefegt, deine Stimme versagt, dein Körper fühlt sich an, als stünde er unter Strom und gleichzeitig wie gelähmt. Diese Erstarrung, auch als „Freeze“ bekannt, kann in den unterschiedlichsten Alltagsmomenten auftreten. Die gute Nachricht: Du bist mit solchen Reaktionen nicht allein und es gibt Wege heraus aus der Starre.
In diesem Blogbeitrag von findmetherapy schauen wir uns an, was es mit dem Freeze-Modus auf sich hat. Wir erklären, was in deinem autonomen Nervensystem passiert und warum Freeze eine Schutzreaktion deines Körpers ist.
Wir beleuchten typische Symptome und Verhaltensweisen bei Freeze, von körperlichen Reaktionen bis zu psychischen Phänomenen wie sozialem Rückzug oder Entscheidungslähmung. Vor allem aber bekommst du fünf konkrete kleine Übungen an die Hand, mit denen du dich in akuten Situationen wieder regulieren kannst. Und natürlich erfährst du, welche Therapieansätze helfen können, den Freeze-Zustand besser zu verstehen und Schritt für Schritt wieder handlungsfähig zu werden.
Freeze ist also kein willentlicher „Blackout“, sondern eine instinktive Körperreaktion, gesteuert vom ältesten Teil unseres Nervensystems. Gerade bei Trauma spielt das eine große Rolle. Wir von findmetherapy helfen dir, schnell und einfach den passenden Therapieplatz zu finden. Es ist ein Zeichen von Stärke, dir Hilfe zu suchen, kein Zeichen von Schwäche.
Was bedeutet „Freeze“? Ein uraltes Notfallprogramm unseres Körpers
„Fight, Flight or Freeze“ - Kämpfen, Flüchten oder Erstarren, bezeichnet die drei klassischen automatischen Stressreaktionen unseres Körpers. Ursprünglich wurden Kampf und Flucht vom US-Physiologen Walter Cannon in den 1920ern beschrieben, doch die moderne Traumaforschung hat das Modell um Freeze ergänzt. Freeze ist gewissermaßen das „Not-Aus“: eine uralte Überlebensstrategie, die einspringt, wenn Kampf oder Flucht nicht mehr möglich scheinen. Tiere stellen sich tot, wenn sie keinerlei Chance mehr sehen davonzukommen und auch beim Menschen greift diese starre Schutzreaktion, wenn eine Situation als ausweglos oder lebensbedrohlich empfunden wird. Kämpfen und Flüchten erfordern Hoffnung auf Erfolg, Freeze ist die letzte Verteidigungslinie des Organismus, wenn keine Hoffnung mehr besteht.
Im Freeze-Zustand fährt der Körper blitzschnell alle Aktionssysteme herunter: Der Puls wird drastisch verlangsamt, Atmung und Blutdruck sinken, Schmerzempfinden und sogar das Denken werden kurzfristig „abgeschaltet“. Viele Opfer von Gewalt oder Unfällen berichten im Nachhinein, dass sie wie benommen oder gar nicht richtig da waren, oft sind die Erinnerungen an das Geschehen lückenhaft oder fehlen ganz.
Dieses psychische „Wegtreten“ ist eine Form der Dissoziation: Der Geist schützt sich, indem er die überwältigende Realität ausblendet. Kurz gesagt: Freeze bedeutet Erstarren und innerliches Abschalten, um unerträglichen Stress zu überleben. In echten Lebensgefahr-Situationen kann das hilfreich oder sogar lebensrettend sein, denn es bewahrt uns davor, Schmerz voll zu spüren und spart Energie.
Das Problem: In der heutigen Alltagswelt wird unser archaisches Notfallprogramm oft getriggert, obwohl objektiv keine lebensbedrohliche Gefahr besteht. Chronischer Druck im Job, anhaltende Überforderung, Konflikte oder traumatische Beziehungsmuster können dazu führen, dass unser Nervensystem falsch Alarm schlägt und in den Freeze-Modus geht, obwohl wir die Situation eigentlich anders bewältigen könnten. Erstarren löst dann aber nichts, im Gegenteil, es hält uns davon ab, Probleme aktiv anzugehen.
Freeze ist also kein willentlicher „Blackout“, sondern eine instinktive Körperreaktion, gesteuert vom ältesten Teil unseres Nervensystems. Gerade bei Trauma spielt das eine große Rolle. Traumaforscher wie Bessel van der Kolk betonen, dass traumatisierte Menschen oft in einem solchen Überlebensmodus gefangen bleiben: Der „Alarm“ im Gehirn schaltet sich nicht mehr vollständig ab, auch wenn die reale Gefahr vorbei ist. Man bleibt innerlich angespannt oder im Gegenteil völlig abgeschaltet und chronisch wie betäubt. Van der Kolk formuliert es so: “Trauma is not just an event that took place in the past, it is also the imprint left by that experience on mind and body.”, Trauma hinterlässt einen Abdruck im Nervensystem, der dazu führt, dass Betroffene sich dauerhaft unsicher und in Gefahr fühlen. Oft pendeln sie zwischen Hyperalarm und Shutdown hin und her, haben Schwierigkeiten, im Hier-und-Jetzt zu bleiben und Entspannung oder echte Freude zu empfinden . Dieses Feststecken im Freeze (oder im Vorstadium davon) ist ein Kernproblem bei Posttraumatischen Belastungsstörungen und komplexen Traumafolgestörungen.
Wichtig ist deshalb zu verstehen: Diese Reaktionen sind keine persönliche Schwäche, kein „Versagen“ oder mangelnder Wille, sondern automatische Schutzmechanismen, tief in uns verankert. Sobald wir diese Muster erkennen, können wir beginnen, anders mit ihnen umzugehen und uns behutsam herauszubewegen .
Doch egal ob Trauma oder „nur“ chronischer Stress: Wenn unser Nervensystem gelernt hat, regelmäßig in den Notfallmodus zu schalten, dann können selbst alltägliche Situationen die starre Reaktion triggern. Das sorgt im Alltag für erhebliche Schwierigkeiten, sei es körperlich, emotional und sozial.
Woran erkenne ich einen Freeze-Zustand? Symptome und Alltagsphänomene
Ein Freeze-Zustand kann sich sehr unterschiedlich anfühlen, je nach Intensität. Manche erleben ihn als plötzliche Starre: Der Körper wirkt wie eingefroren oder versteinert, die Muskeln sind angespannt oder man hält unbewusst die Luft an. Andere beschreiben ein Gefühl von „Blackout“ im Kopf, die Gedanken reißen ab, man kann sich nicht mehr konzentrieren oder etwas Sinnvolles sagen.
Viele fühlen sich dabei emotional taub (numb): weder starke Angst noch andere Emotionen dringen richtig durch, eher eine innere Leere und Entfremdung. Gleichzeitig ist der Körper aber oft in Alarmbereitschaft: Innen drin tobt der Stress, auch wenn außen nichts passiert. Herzschlag und Blutdruck können erhöht sein und Stresshormone im Blut zirkulieren, als würde man voll auf dem Gaspedal stehen, aber gleichzeitig die Bremse bis zum Anschlag drücken.
Körperliche Symptome:
Das Gefühl von Lähmung oder Erstarrung, z.B. steife Muskeln, starre Mimik, evtl. Zittern. Man friert vielleicht plötzlich oder spürt Kälte in Händen und Füßen (durch den abrupten Abfall der Herz-Kreislauf-Aktivität). Atmung flach oder angehalten. Eventuell auch Schwindel oder das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden (bei starkem dorsalem Vagus-Einfluss). Manche berichten auch von Übelkeit oder Magendrücken, da das Verdauungssystem in Alarm runtergefahren wird.
Psychische Symptome:
Leere im Kopf, Konzentrationsblockade, Gedankenrasen gefolgt von Stille. Gefühllosigkeit, man fühlt weder große Angst noch andere Gefühle deutlich, oft tritt eine seltsame Gleichgültigkeit ein. Häufig kommt es zu Dissoziation, d.h. man hat das Gefühl, nicht wirklich da zu sein oder die Situation wie von außen zu beobachten. Die Zeit fühlt sich vielleicht verzerrt an. In manchen Fällen kann es auch zu einem Totstell-Reflex kommen: vollständige Bewegungsunfähigkeit, kein Ton kommt mehr über die Lippen.
Verhalten im Alltag:
Sozialer Rückzug ist sehr typisch. Wer im Freeze-Modus ist, geht Konflikten oder sogar alltäglichen Interaktionen aus dem Weg (Friere ich ein, kann ich nicht noch zusätzlich verletzt werden, so die unbewusste Logik). Man vermeidet möglicherweise Situationen, die stressen könnten: sagt Verabredungen ab, drückt sich vor schwierigen Gesprächen, verlässt seltener das Haus. Entscheidungslähmung ist ein weiteres Phänomen, selbst kleine Entscheidungen (Was koche ich? Welche E-Mail antworte ich zuerst?) fallen plötzlich unglaublich schwer, aus Angst, etwas falsch zu machen. Stattdessen verharrt man in Passivität. Betroffene beschreiben auch, sie fühlten sich wie auf Autopilot: Sie funktionieren zwar (gehen zur Arbeit, erledigen Grundaufgaben), aber innerlich wie betäubt oder abwesend, als würde jemand anders das eigene Leben steuern. Dieses „funktionale Freeze“ wurde von Traumaexpert*innen so beschrieben: „Du funktionierst nach außen, aber dein Selbst ist offline.“ Oft geht das mit Erschöpfung einher, dauerhafter Alarm und gleichzeitige Starre kosten enorm Kraft. Viele ziehen sich dann noch weiter zurück, ein Teufelskreis aus Isolation und innerer Leere beginnt.
Dieses paradoxe Gefühl, inneres Chaos bei äußerer Starre, erleben viele als äußerst belastend.
Falls dir einiges davon bekannt vorkommt, fragst du dich vielleicht: Warum reagiert mein Körper so, und wie komme ich da bloß wieder raus? Die erste Erkenntnis ist wie gesagt: Es passiert automatisch. Dein Nervensystem glaubt, dich schützen zu müssen. Doch wenn diese Schutzreaktion in ungefährlichen oder anhaltenden Situationen ständig auftaucht, belastet sie dein Leben.
Die gute Nachricht: Man kann lernen, aus dem Freeze herauszukommen. Der Schlüssel liegt darin, dem Körper behutsam zu signalisieren, dass die Gefahr vorbei ist und wieder Sicherheit da ist. Das geht zum Beispiel mit kleinen körperlichen Übungen zur Selbstregulation.
Fünf Soforthilfe-Tools: Raus aus der Erstarrung
Wenn du merkst, dass du gerade im Freeze-Modus steckst, etwa weil du dich wie benommen fühlst, dich nicht rühren oder entscheiden kannst, können somatische Übungen (Micro-Tools) helfen, dein Nervensystem hier und jetzt zu beruhigen und wieder zu aktivieren. Diese Techniken zielen darauf ab, entweder den feststeckenden Alarm abzubauen oder die „Erstarrung“ direkt zu lockern. Hier sind fünf erprobte Übungen für akute Situationen:
Der Voo-Sound („Nebelhorn-Atem“)
Diese Übung stammt u.a. von Traumatherapeut Peter Levine. Sie stimuliert gezielt den Vagusnerv und fördert damit die Beruhigung des Nervensystems. Und so geht’s: Atme tief ein, lege beim Ausatmen die Lippen leicht an und lass einen tiefen, brummenden „Voooooo…“-Ton erklingen. Stell dir vor, du machst das Geräusch eines Nebelhorns oder eines tiefen Klangschals. Der Ton sollte aus dem Bauch kommen und in deiner Brust vibrieren. Nimm dann automatisch wieder Luft und wiederhole das „Voo“ mehrmals langsam. Du wirst spüren, wie die tiefe Vibration eine Wärme und Ruhe in deinem Körper auslöst. Das Brummen aktiviert den parasympathischen „Beruhigungszweig“ und signalisiert deinem Gehirn Sicherheit. Viele Menschen berichten, dass sie nach 1–2 Minuten Voo-Atem deutlich entspannter und „zurück in ihrem Körper“ sind. (Falls dabei Emotionen aufsteigen, lass sie zu. Dein System taut gerade auf.)
Butterfly Hug („Schmetterlingsumarmung“):
Diese einfache Übung aus der Traumatherapie nutzt bilaterale Stimulation, um dein Gehirn aus der Schockstarre zu holen und in die Gegenwart zurückzubringen. Kreuz deine Arme vor der Brust, so dass die Hände auf den gegenüberliegenden Oberarmen oder Schultern liegen, wie eine Selbstumarmung, die aussieht wie Schmetterlingsflügel. Klopfe nun abwechselnd links und rechts mit den Händen sanft auf deine Oberarme/Schultern. Links, rechts, links, rechts, in einem ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus, ein bis zwei Minuten lang. Atme dabei langsam ein und aus. Diese abwechselnde Stimulation der Körperseiten hilft, das Hyperarousal herunterzufahren und beruhigt die Amygdala (das Angstzentrum im Gehirn). Du signalisierst deinem Körper damit: „Schau, beide Seiten sind sicher, nichts Böses passiert.“
Tapping („Klopfakupressur“):
Beim Emotional Freedom Technique (EFT), auch Klopfen genannt, stimulierst du durch leichtes Klopfen auf bestimmte Akupressur-Punkte deinen Körper und beruhigst so dein Stresssystem. Typische Punkte sind z.B. die Innenseite deiner Augenbrauen, die Schläfen, unter der Nase, am Kinnpunkt, auf dem Brustbein und die Kanten der Handflächen. Im akuten Fall kannst du aber auch einfach mit zwei Fingern sanft auf deinen Brustkorb oder deine Handkante klopfen, während du langsam atmest. Die Idee dahinter: Durch das Klopfen werden ähnlich wie bei Akupunktur beruhigende Signale ans Gehirn gesendet, die die übermäßige Alarmreaktion abschwächen. Studien zeigen, dass EFT-Klopfen den Stresshormonspiegel (Cortisol) deutlich senken kann und Angstsymptome signifikant reduziert. In einer Meta-Analyse mit 14 Studien und 658 Teilnehmenden wurde nachgewiesen, dass Angstzustände nach Klopfakupressur deutlich abnahmen oder ganz verschwanden. Wenn du also merkst, dass dich Freeze festhält, probiere mal, dich „wachzuklopfen“: zum Beispiel mit den Fingerspitzen sanft auf dein Brustbein trommeln, das kann erstaunlich befreiend wirken und hilft dir, dich wieder zu spüren.
Viele Menschen fühlen sich nach dem Butterfly Hug spürbar gelassener, weniger ängstlich und wieder handlungsfähig, ein kleines Tool, das du überall unauffällig einsetzen kannst.
5-4-3-2-1-Methode (Grounding-Übung):
Diese Übung holt dich über deine fünf Sinne zurück ins Hier und Jetzt und ist ideal, wenn du dich dissoziiert oder „nicht richtig real“ fühlst. Schaue dich langsam um und benenne 5 Dinge, die du siehst. Dann berühre 4 Dinge, die in Reichweite sind (z.B. den Boden mit den Füßen, die Tischkante, deinen Pullover, eine Tasse) und nimm die Textur wahr. Als Nächstes nenne 3 Dinge, die du hörst: das Ticken der Uhr, Vogelgezwitscher, dein Atem. Dann atme bewusst durch die Nase und identifiziere 2 Gerüche um dich herum, vielleicht Kaffee, frische Luft oder sogar den neutralen Geruch des Raums. Schließlich achte auf 1 Geschmack in deinem Mund (der letzte Kaffee, Zahnpasta, oder einfach dein eigener Speichel). Nimm dir ein paar Sekunden pro Sinneswahrnehmung. Diese Technik mag simpel klingen, ist aber äußerst effektiv: Indem du deine Aufmerksamkeit voll auf konkrete Sinneseindrücke lenkst, entziehst du den ängstigenden oder betäubenden Gedanken den Nährboden. Dein Gehirn kann nicht gleichzeitig in der Panikstarre und bei den sinnlichen Details der Gegenwart sein, es entscheidet sich durch diese Übung zunehmend für Letzteres. Viele spüren schon nach einer Runde 5-4-3-2-1, wie sie innerlich ruhiger werden, der Nebel sich lichtet und die Umgebung wirklicher erscheint. Falls nötig, wiederhole die Sequenz ein paar Mal.
Kälte-Reiz („Reset durch Kälte“):
Klingt kontraintuitiv, aber ein kurzer Kälteschock kann dein Nervensystem quasi neu starten. Kaltes Wasser aktiviert den Tauchreflex und den Vagusnerv und kann so aus sowohl aus dem panischen Alarm als auch aus der Lähmung heraushelfen. Du kannst zum Beispiel für 30 Sekunden das Gesicht in kaltes Wasser tauchen oder kaltes Wasser über deine Handgelenke laufen lassen. Fortgeschrittene nehmen eine kalte Dusche oder tauchen gleich ganz in eisiges Wasser (Eisbaden), das ist allerdings sehr intensiv und nicht für jeden geeignet. Wichtig: Nur kurz und kontrolliert, nicht bis zur Unterkühlung! Studien zeigen, dass Kälteexposition den Sympathikus („Fight-or-Flight“) beruhigen, Entzündungen im Körper reduzieren und sogar bei Ängsten und Depressionen positiv wirken kann. Viele Menschen berichten, dass sie nach einem Kältereiz klarer im Kopf sind, es ist fast, als würde ein Systemneustart stattfinden und der Körper sich sagt: „Okay, Fokus, wir sind im Hier und Jetzt, wir müssen uns um diese konkrete (harmlosere) Sache kümmern, nicht um die diffuse alte Angst.“ Ein einfacher Einstieg ist übrigens: Halte ein cool pack oder einen Beutel mit Eiswürfeln an dein Brustbein oder in den Nacken, atme dabei ruhig weiter. Du solltest einen deutlichen Kältereiz spüren, aber natürlich ohne dir weh zu tun. Nach etwa 30 Sekunden bis 1 Minute nimm das Eis weg und spüre nach, oft fühlt man sich wacher, präsenter und emotional „verschoben“, raus aus dem Freeze.
Jede dieser Übungen sendet deinem Körper die Botschaft: Hier und jetzt bist du sicher, du kannst wieder in die Handlung kommen. Natürlich ersetzen solche Tricks keine tiefere Aufarbeitung der Ursachen, aber sie geben dir akute Hilfsmittel, um dich zu entfernen aus der Starre, wenn „nichts mehr geht“. Mit der Zeit und Übung lernst du so, dein Nervensystem immer besser selbst zu regulieren.
Natürlich gibt es noch weitere Therapieverfahren (wie z.B. Traumafokus, Hypnotherapie, Achtsamkeitsbasierte Ansätze oder auch medikamentöse Unterstützung in Kombination mit Psychotherapie). Wichtig ist weniger die Methode als die Tatsache, dass du dich sicher und verstanden fühlst.
Therapie: Wie professionelle Hilfe aus dem Freeze führen kann
Manchmal sitzt der Freeze-Mechanismus jedoch so tief, dass therapeutische Unterstützung sinnvoll ist. In Therapie kannst du in einem sicheren Rahmen erkunden, warum dein System so stark mit Erstarren reagiert und vor allem, wie du da wieder herausfindest. Es gibt heute zum Glück eine Reihe von therapeutischen Ansätzen, die sich bei Freeze und Trauma bewährt haben:
Verhaltenstherapie (VT): In der Verhaltenstherapie lernst du zunächst, deine Auslöser und Gedankenmuster rund um den Freeze zu verstehen. Ein:e Therapeut:in hilft dir dabei, die Situationen zu identifizieren, in denen du „dicht machst“, und entwickelt mit dir Strategien, um Stück für Stück anders darauf zu reagieren. Zum Beispiel könnt ihr mittels Expositionstraining üben, vermeidende Verhaltensweisen abzubauen: Du stellst dich in kleinen Schritten den früher gemiedenen Situationen (etwa mal bewusst ein schwieriges Telefonat führen statt es zu vermeiden). So erfährt dein Gehirn, dass nichts Schreckliches passiert, das verringert über Zeit die automatische Freeze-Reaktion. Zudem arbeitet die VT an den Gedanken: Viele Betroffene haben extrem kritische oder katastrophisierende Gedanken („Ich darf nichts falsch machen, sonst passiert was Schlimmes“), die das Freeze-Verhalten mit anfeuern. Diese Gedanken werden in der kognitiven Umstrukturierung hinterfragt und in realistischere, wohlwollendere Denkmuster verändert. Studien haben gezeigt, dass kognitive Verhaltenstherapie bei Trauma und Angsterkrankungen sehr wirksam sein kann, auch um die „Überlebensmodus“-Reaktionen zu reduzieren.
Schematherapie: Die Schematherapie ist ein moderner integrativer Ansatz, der besonders bei komplexen, aus der Kindheit stammenden Mustern hilfreich ist, also genau dem, was hinter chronischen Freeze-Reaktionen oft steckt. Hier geht man davon aus, dass wir alle bestimmte Schemata (Erlebens- und Verhaltensmuster) in uns tragen, z.B. das „verlassene Kind“, das „strafende Elternteil“ usw. Ein anhaltender Freeze-Modus könnte z.B. mit einem Kindheitsanteil zusammenhängen, der gelernt hat: Wenn es brenzlig wird, stell dich tot, mach dich unsichtbar! In der Schematherapie lernst du, solche inneren Anteile und deren Bedürfnisse kennen. Mit Methoden wie dem Stuhlmodell oder Imaginationsübungen wird dann daran gearbeitet, diese verletzten Anteile zu trösten und neue, gesunde Verhaltensweisen einzuüben. Du entwickelst sozusagen einen starken inneren „Erwachsenen“, der heute für Sicherheit sorgen kann. So kannst du nach und nach alte traumatische Freeze-Muster überschreiben.
Körperorientierte Therapieverfahren: Da Freeze eine körperliche Stressreaktion ist, setzen viele moderne Ansätze genau dort an, im Körper. Zwei bekannte Methoden sind Somatic Experiencing (SE) nach Peter Levine und Tension & Trauma Releasing Exercises (TRE) nach David Berceli. Beim Somatic Experiencing lernst du, in kleinen Dosierungen (Titration) an die im Körper „eingefrorene“ Energie heranzugehen. Du achtest z.B. gemeinsam mit dem Therapeuten auf körperliche Empfindungen, die mit einem Trigger einhergehen (z.B. enge Brust, Zittern in den Beinen), bleibst maximal ein paar Sekunden in der Empfindung und gehst dann wieder in die Entspannung. Stück für Stück erlaubt man dem Körper so, die blockierte Kampf-oder-Flucht-Energie zu entladen, oft durch natürliche Reaktionen wie Zittern, tiefe Atemzüge oder Bewegungsimpulse, die endlich zu Ende geführt werden dürfen. Der Körper „lernt“, dass er die damals unterbrochene Reaktion nun abschließen kann, und muss nicht länger im Alarm hängenbleiben.
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing): EMDR ist eine speziell für die Traumatherapie entwickelte Methode, die ebenfalls Körper und Gehirn verbindet. Durch gezielte Augenbewegungen (oder andere abwechselnde Stimulation wie Töne) während man sich kontrolliert an traumatische Ereignisse erinnert, wird die Verarbeitung im Gehirn angestoßen. Stark vereinfacht gesagt, hilft EMDR dabei, dass Erinnerungen, die im „Gefahr-Modus“ stecken geblieben sind, sich neu abspeichern und zwar ohne die überwältigende emotionale Ladung. Viele Betroffene mit Freeze-Erleben berichten, dass sie durch EMDR flashbackartige Zustände abbauen und Situationen in der Gegenwart wieder als Gegenwart erleben können, ohne sofort in die Starre von „damals“ zu fallen. EMDR stabilisiert zudem durch duale Aufmerksamkeit (Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig wahrnehmen), was die Gegenwartsorientierung verbessert. Interessanterweise gibt es Hinweise, dass EMDR und körperorientierte Verfahren sich gut ergänzen, beide zielen darauf ab, das Nervensystem neu zu programmieren, weg vom ständigen Alarm.
TRE wiederum arbeitet mit gezielten Körperübungen, die unwillkürliches Zittern auslösen, dieses neurogene Zittern soll gespeicherte Spannungen lösen, ähnlich wie ein wild lebendes Tier nach einer Flucht einmal kräftig zittert, um den Reststress loszuwerden. Solche Ansätze mögen ungewohnt klingen, aber viele Traumaexpert:innen sind überzeugt: Gerade bei Freeze muss der Körper mit ins Boot, nicht nur der Verstand. Ein Vorteil: Auch ohne detailliert über das Trauma sprechen zu müssen, kann so Heilung passieren.
Fazit & wie findmetherapy dir hilft, einen passenden Psychotherapieplatz in Wien zu finden
Therapie kann dir also helfen, den Kreislauf aus Hilflosigkeit zu durchbrechen. Du musst es nicht alleine schaffen und du bist nicht schuld daran, dass dein System so reagiert. Aber du kannst aktiv Verantwortung übernehmen, um wieder handlungsfähig zu werden. Schon der Schritt, diesen Artikel zu lesen, ist ein Zeichen dafür, dass du etwas verändern möchtest. Das ist mutig, denn es erfordert, hinzuschauen, wo man sich am liebsten verkriechen würde.
Wenn du dich in vielem wiedererkennst und merkst, dass dich der Freeze-Zustand im Alltag stark einschränkt, zögere nicht, dir Unterstützung zu holen. Sprich mit vertrauten Menschen darüber und ziehe in Betracht, eine:n Psychotherapeut:in aufzusuchen. Bei findmetherapy finden wir für dich eine passende Psychotherapeut:in, die oder der genau auf dein Anliegen passen. Du musst den Weg nicht alleine gehen, Hilfe anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut.
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Und zum Schluss noch ein wichtiger Hinweis: Wenn du dich gerade in einer akuten Krise befindest, zögere bitte nicht, dir sofort Hilfe zu holen. In Österreich gibt es rund um die Uhr Anlaufstellen, die für dich da sind. Du kannst dich jederzeit an die Telefonseelsorge (Tel. 142) wenden, anonym und kostenlos, 24/7. In Wien steht der Psychosoziale Notdienst (Tel. 01 31330) jederzeit bereit, wenn alles zu viel wird. Für Kinder und Jugendliche ist Rat auf Draht (Tel. 147) erreichbar. Und im absoluten Notfall zögere nicht, den Rettungsdienst (144) oder die Polizei (133) zu rufen.
Die Freeze-Reaktion war vielleicht lange dein Begleiter, aber sie definiert dich nicht. Mit Unterstützung kannst du Neues lernen: Vertrauen, Sicherheit in dir selbst, und neue Wege, mit Stress umzugehen. Du wirst merken, so berichten es viele Betroffene, wie Stück für Stück Gefühle zurückkehren (ja, auch positive!), wie Entscheidungsfähigkeit und Kreativität wieder wachsen und wie du dich insgesamt verbundener mit dir und anderen fühlst, je mehr du den Freeze hinter dir lässt.
Quellenverzeichnis
• Mauritz, Simone (2022): Fight, Flight, Freeze - Warum wir in Stresssituationen erstarren. Resilienz Akademie Blog. https://resilienz-akademie.com/fight-flight-freeze (aufgerufen am 09.12.2025)
• von Koblinski, Clara (2025): Stressreaktionen verstehen - 4 Muster deines Nervensystems und wie sie deinen Alltag prägen. https://vonkoblinski.de/stressreaktionen-verstehen (aufgerufen am 09.12.2025)
• NICABM - National Institute for Clinical Application of Behavioral Medicine (o.J.): How the Nervous System Responds to Trauma. https://www.nicabm.com/trauma-response (aufgerufen am 09.12.2025)
• McAdam, Emma (2024): The Voo Breath (Foghorn Method): Vagus Nerve Exercise for Trauma Recovery. Therapy in a Nutshell Blog. https://therapyinanutshell.com/voo-breath (aufgerufen am 09.12.2025)
• Braesigke, Pascal (2023): EFT - Wissenschaftliche Studien und 8 Fakten. https://braesi.ch/eft-studien (aufgerufen am 09.12.2025)
• Herstich, Sarah (2023): Functional Freeze - Warum wir im Alltag wie betäubt funktionieren. https://www.sarahherstichlcsw.com/functional-freeze (aufgerufen am 09.12.2025)
• PositivePsychology.com (2023): Polyvagal Theory: Exercises and Worksheets. https://positivepsychology.com/polyvagal-theory (aufgerufen am 09.12.2025)
• Porges, Stephen W. (2011): The Polyvagal Theory: Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, and Self-Regulation. W. W. Norton & Company.